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Wie Smartphones und soziale Medien die Kindheit verändern

Die Kindheit unserer Kinder verändert sich rasant, und oft merken wir als Eltern, Lehrer oder Gemeindeleiter erst spät, wie tief diese Veränderungen gehen. In seinem Buch The Anxious Generation beleuchtet Jonathan Haidt, ein renommierter Sozialpsychologe, die Ursachen der alarmierenden Zunahme von Angst- und Depressionsstörungen bei Jugendlichen der Generation Z (geboren nach 1995). Haidt argumentiert, dass technologische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen eine „Mars-ähnliche“ Kindheit geschaffen haben, die unsere Kinder in einer völlig neuen Realität aufwachsen lässt – oft mit schwerwiegenden Folgen für ihre psychische Gesundheit.


Ein Weckruf für Eltern und Gemeindeleiter

Haidt beginnt sein Buch mit einer provokanten Metapher: Er beschreibt die heutige Kindheit als eine „Reise zum Mars“ – eine völlig fremde Umgebung, in der die vertrauten Regeln von sozialem Kontakt, Spiel und Gemeinschaft nicht mehr gelten. Durch die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Smartphones und sozialen Medien haben Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer sozialen Interaktionen in den virtuellen Raum verlagert. Dabei bleibt jedoch etwas Grundlegendes auf der Strecke: die tief verwurzelte Bedeutung von realen Beziehungen und die Entwicklung durch direkte, körperliche Erfahrungen.


Die psychischen Folgen: Ein „Tsunami des Leidens“

Haidt zeigt auf, wie dramatisch die psychischen Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen in den letzten zehn Jahren zugenommen haben:


  • Depressionen und Angststörungen: Zwischen 2010 und 2015 stiegen die Raten von Depressionen und Angststörungen bei Jugendlichen drastisch an – besonders bei Mädchen. Haidt nennt soziale Medien als Hauptursache, da sie Vergleiche, Mobbing und soziale Isolation verstärken.

  • Selbstverletzungen und Suizide: Die Zahl der Selbstverletzungen und Suizidversuche unter jungen Menschen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Besonders betroffen sind Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren.

  • Abhängigkeit und Isolation: Durch den ständigen Zugang zu Smartphones und Videospielen fehlt es Jugendlichen zunehmend an realen, körperlichen Erfahrungen und sozialem Kontakt.


Warum diese Entwicklungen auch die Kirche betreffen

Die Kirche war schon immer ein Ort, an dem Gemeinschaft, Werte und Beziehungen gestärkt werden. Doch die Herausforderungen, die Haidt beschreibt, stellen uns als Gemeindeleiter vor neue Aufgaben:


  • Isolation überwinden: Jugendliche in unseren Gemeinden brauchen Gelegenheiten für echte, sinnvolle Beziehungen. Veranstaltungen wie Jugendgruppen, Freizeiten und Freiwilligendienste können Orte sein, an denen sie sich wieder mit der realen Welt verbinden.

  • Bewusster Umgang mit Technologie: Die Kirche kann auch ein Vorbild sein, wenn es um den Umgang mit Technologie geht. Ein Handy-freier Gottesdienst oder eine Smartphone-freie Jugendarbeit könnten einen großen Unterschied machen.

  • Seelsorge und Unterstützung: Haidts Buch macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir die psychischen Herausforderungen der jungen Generation ernst nehmen. Als Pastoren können wir eine wichtige Rolle spielen, indem wir für diese Themen sensibilisieren und Räume für Heilung schaffen.


Die Rolle der Identität in der digitalen Welt

Timothy Keller beschreibt in seinem Artikel „Soziale Medien, Identität und die Gemeinde“, wie soziale Medien die Suche nach Identität verändert haben. In der heutigen Kultur wird Identität zunehmend durch Selbstinszenierung definiert. Likes, Follower und der Druck zur Selbstoptimierung erzeugen einen Kreislauf von Selbstzweifeln und Isolation. Keller argumentiert, dass die Kirche als Gegenkultur fungieren kann, indem sie auf die wahre Quelle unserer Identität hinweist: unsere Beziehung zu Gott. Dies passt nahtlos zu Haidts Beobachtungen, dass Jugendliche tiefgreifende, reale Gemeinschaft und eine sinnvolle Orientierung im Leben brauchen.


Praktische Schritte aus The Anxious Generation und Kellers Artikel

Haidt bietet konkrete Vorschläge, wie Eltern und Erzieher auf die Herausforderungen reagieren können. Diese Maßnahmen können auch in der Gemeindearbeit Anwendung finden:


  • Keine Smartphones vor der High School: Haidt rät Eltern, Kindern vor dem Alter von 14 Jahren nur einfache Handys ohne Internetzugang zu geben.

  • Kein Zugang zu sozialen Medien vor 16: Er argumentiert, dass Jugendliche erst nach dem Höhepunkt ihrer Pubertät mit sozialen Medien umgehen können.

  • Mehr freies Spiel und Unabhängigkeit: Die Förderung von unstrukturiertem Spiel und Selbstständigkeit hilft Kindern, Resilienz zu entwickeln.

  • Gemeinschaftliche Lösungen: Eltern, Schulen und Gemeinden müssen gemeinsam handeln, um eine gesündere Umgebung für Kinder zu schaffen.


Die Gemeinde könnte diese Ansätze durch gezielte Programme und Predigten ergänzen, die Identität und Gemeinschaft betonen. Zum Beispiel könnten thematische Jugendabende oder Predigtreihen zum Umgang mit sozialen Medien und Gottes Vorstellung von Identität angeboten werden.


Eine Einladung zur Reflexion

The Anxious Generation und Kellers Artikel sind eindringliche Aufrufe, die Kindheit und Jugend in unserer modernen Welt neu zu gestalten. Für uns als Gemeinde ist dies eine Gelegenheit, nicht nur eine Gegenkultur zu bieten, sondern auch echte Hoffnung und Heilung. Denn in einer Welt, die immer virtueller wird, ist die Gemeinde vielleicht einer der wenigen Orte, an dem Kinder und Jugendliche noch echte, tief gehende Gemeinschaft erleben können – und wo sie lernen, dass ihre Identität und ihr Wert nicht von Likes und Followern abhängen, sondern von Gottes Liebe.


Lasst uns die nächste Generation unterstützen, indem wir ihnen helfen, sich wieder mit der Realität zu verbinden – mit Gott, mit sich selbst und mit den Menschen um sie herum.


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